«Nachts herrscht im Spital eine besondere Stimmung.»

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«Nachts herrscht im Spital eine besondere Stimmung.»

Sergio Dudli, Redaktor des Magazin «de Herisauer» befragte im Rahmen eines Interviews Jasmine Stauffacher, Stv. Teamleiterin und Hebamme FH im Spital Herisau. Nachfolgende Reportage finden Sie ebenfalls in der Dezember Ausgabe 2024 «de Herisauer».
Jasmine Stauffacher

Auf der Geburtenstation im Spital Herisau sorgen 18 Hebammen dafür, dass Frauen rund um die Uhr ihre Kinder zur Welt bringen können. Jasmine Stauffacher ist stellvertretende Teamleiterin und erklärt, was ihren Beruf ausmacht und weshalb sie gerne in der Nacht arbeitet.

Jasmine Stauffacher sitzt in einem kleinen Büro auf der Geburtenstation. Draussen ist es noch hell, aber der Winter kündigt sich mit einem eisigen Wind an. Im beheizten Raum lacht die Hebamme, als sie erzählt, dass ihre Familienangehörigen zwar noch keine Geburt selbst miterlebt hätten, «aber einige haben schon so viel darüber gehört, dass sie sich bei einer überraschenden Geburt in einem Flugzeug melden würden, wenn die Crew nach einer Ärztin oder einem Arzt fragt.» Seit vier Jahren arbeitet Stauffacher auf der Geburtenstation – ausreichend Zeit, um viele Frauen vor, während und nach der Geburt zu begleiten. «Jede Geburt ist etwas Besonders, weil wir den Frauen in einem sehr prägenden Moment beistehen. Man ist nirgendwo näher am Leben als in diesen Augenblicken. Und egal, wie viele Geburten du betreust und wie viel Erfahrung du hast – man weisst nie, was einem erwartet.» Die Aufgaben einer Hebamme während der Geburt seien vielseitig. «Solange alles natürlich läuft und es zu keinen Komplikationen kommt, sind wir die Fachpersonen. Sobald Probleme auftreten, ziehen wir unsere Ärzte hinzu», erklärt Stauffacher. «Es braucht sehr viel Empathie, weil wir herausspüren müssen, was die Frau in dieser Ausnahmesituation benötigt. Manche müssen angeleitet werden, andere sind sehr bei sich, wie in einem Tunnel. Eine offene Kommunikation im Gebärsaal ist sehr wichtig. Daneben haben wir ein Auge auf das allgemeine Wohlbefinden und die Gesundheit der Frauen. Wir schauen beispielsweise, dass sie nicht zu viel Blut verlieren oder mit der Nachgeburt alles gut geht. Und beim Baby kontrollieren wir während der Geburt die Herztöne oder unterstützen sie bei der Anpassung an das Leben ausserhalb der Gebärmutter, um sicherzustellen, dass auch bei ihm alles wie gewünscht läuft.» Natürlich gebe es typische Phasen während einer Geburt, die bei jeder Frau identisch seien. «Aber letztlich kann weder ein Messgerät noch die erfahrenste Hebamme voraussagen, wie eine Geburt abläuft, da jede einzigartig ist.»

Die nächtliche Idylle
Die Arbeit der Hebammen fokussiert sich nicht ausschliesslich auf die Geburt. Sie unterstützen die Frauen während der Schwangerschaft, stehen ihnen in den ersten Stunden nach der Entbindung zur Seite und betreuen sie in den Tagen danach im Wochenbett. «Viele frischgebackene Mütter sind gerade nach der ersten Geburt sehr dankbar, weil vieles noch Neuland ist», so Jasmine Stauffacher. «Und auch wenn sie sich gut vorbereitet haben, können sie nicht wissen, wie es sich anfühlt, zu gebären oder Mutter zu sein.» Es komme regelmässig vor, dass sich Frauen nach der Geburt bei den Hebammen melden. «Von Dankeskärtchen bis Schokolade ist alles dabei. Darüber freuen wir uns, auch wenn wir es nicht erwarten. Aber diese schöne Anerkennung zeigt, dass wir einen guten Job gemacht haben.» Da sich Babys bei ihrer Geburt nach keiner Uhrzeit richten, arbeiten die Hebammen im Spital Herisau in Früh-, Spät- und Nachtschichten. «In der Regel sind jeweils zwei von uns auf der Geburtenstation. An Festtagen wie Weihnachten oder Silvester arbeitet manchmal nur eine Hebamme und eine ist auf Abruf», so Stauffacher. «Ich mag die Nachtschichten, weil die Atmosphäre dann eine ganz besondere ist. Die Lichter sind gedimmt, es klingeln keine Telefone und es wuselt niemand durch die Gänge.»

Doch die nächtliche Idylle trügt, denn wenn mehrere Frauen in den Wehen auf die Geburtenstation kommen, ist es mit der Ruhe vorbei. «Dann sind zwei Hebammen manchmal zu wenig. Aber wir können schnell reagieren und mehr Personal aufbieten, damit die Versorgung gesichert ist und Frauen ihre Kinder bei uns sicher zur Welt bringen können.»

Geburten an magischen Tagen
Bei der Einsatzplanung achten Teamleiterin Regula Rutz und ihre Stellvertreterin Jasmine Stauffacher darauf, die Dienste fair zwischen den Hebammen zu verteilen. «Wir haben viele, die Teilzeit arbeiten. Das bringt eine gewisse Flexibilität», sagt Stauffacher. «Bei jenen, die höhere Pensen leisten, schauen wir, dass sie mehrere gleiche Dienste am Stück haben. Gerade bei Nachtschichten ist das wichtig, um in einen Rhythmus zu kommen.» Grundsätzlich werde so eingeteilt, dass jede Hebamme eine Woche im Monat nachts arbeite. Stauffacher selbst machen die Dienste zur eigentlichen Schlafenszeit nichts aus. «Man muss ein wenig gegen seinen normalen Tagesablauf leben. Ich habe glücklicherweise keine Mühe, meinen Schlaf umzustellen. Wir haben aber Mitarbeiterinnen, denen diese Umstellung schwerfällt. Mit der Zeit finden die meisten jedoch einen Weg, ihren Körper darauf einzustellen.»

In den kommenden Wochen stehen mit Weihnachten und Silvester besinnliche Tage bevor, die viele im Kreise der Liebsten verbringen. «Natürlich ist die Geburtenstation auch in dieser Zeit besetzt», so Stauffacher. «Die Hebammen können angeben, ob sie lieber während Weihnachten oder Silvester arbeiten. Meistens können wir die Wünsche berücksichtigen. Zudem sind wir ein eingespieltes Team, viele Mitarbeiterinnen sind schon sehr lange hier im Spital. Dadurch gleichen sich die Einsätze über die Jahre wieder aus.» Jasmine Stauffacher freut sich jeweils auf diese Nächte. Zum einen bleibe bei einem Arbeitsbeginn nach 22 Uhr ausreichend Zeit, um mit der Familie zu feiern. «Zum anderen ist eine Geburt an Weihnachten oder Silvester etwas ganz Besonderes. Nicht umsonst ist das Neujahrsbaby auch in den Medien immer wieder ein Klassiker. Wenn man als Hebamme mithelfen darf, eine Mutter an einem dieser magischen Tage bei der Geburt zu begleiten, bleibt einem das in Erinnerung. Und wenn die Silvesternacht ruhig bleibt und mehrere Hebammen auf der Station sind, bleibt sogar die Zeit, um mit alkoholfreiem Sekt anzustossen.»

Innerhalb der Familie von Jasmine Stauffacher ist das Verständnis für Abwesenheiten an Feiertagen und unregelmässige Arbeitszeiten gross. «Eine der schönen Seiten an unserem Beruf ist, dass uns nie jemand böse ist – schliesslich helfen wir dabei, Kinder auf die Welt zu bringen. Wenn ich erzähle, dass ich Hebamme bin, sind die Menschen immer ganz begeistert und haben viele Fragen.» Auch ihr Mann habe keine Probleme mit ihrer Arbeit und den Auswirkungen auf das Privatleben. «Natürlich gibt es hin und wieder Wochen, in denen wir uns nicht oft sehen. Aber unsere Nachtdienste beschränken sich ja auf eine Woche im Monat. Das ist für uns beide auszuhalten.» Sie habe sich ganz bewusst für den Beruf als Hebamme in einem Krankenhaus entschieden. «Und da gehören die Nachtschichten nun einmal dazu.»

Die Hände als Werkzeug
Ursprünglich hat Jasmine Stauffacher eine Ausbildung zur Medizinischen Praxisassistentin gemacht. «Doch ich wollte mich beruflich weiterentwickeln. Also habe ich danach die Maturität und anschliessend das Studium zur Hebamme absolviert.» An der Fachhochschule werde ein grosses Augenmerk auf eine praxisnahe Ausbildung gelegt. «Es gibt viele Praktika, damit Studierende bereits während des Studiums einen Einblick in den Berufsalltag bekommen.»

Zwar hätten sich die Aufgaben der Hebammen durch moderne Technologien verändert, «aber noch immer hat vieles mit Einfühlungsvermögen, dem eigenen Charakter und Erfahrung zu tun. Und was oft in Vergessenheit gerät: Die Hände sind nach wie vor eines der wichtigsten Werkzeuge.» Mit dem Abtasten des Bauches prüfen Hebammen die Lage des Babys, schätzen dessen Gewicht ab oder bekommen ein Gespür für das Fruchtwasser. «Natürlich helfen uns heute Ultraschallgeräte, aber es ist dennoch wichtig, dass wir diese Fähigkeiten nicht verlieren. Letztlich weiss man nie, wann eine Geburt eintritt und wie die Umstände sind. Wenn keine Technik vorhanden ist, müssen wir uns auf uns selbst verlassen können.»

20. Dezember 2024

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